Page 33 - Staleke Ausgabe 205, Frühjahr 2017
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Gräber geschändet – Totenruhe gestört
worden  Dies wurde erforder- lich, weil die jüdische Bevölke- rung in den einzelnen Orten der weitläufigen Gemeinde kräftig gewachsen war (1816: 63 Perso- nen; 1841: 81 Personen) 
Auf dem jetzt rd  1 300 m2 gro- ßen Mischwaldareal stehen 82 Grabsteine  Davon 65 in unter-
schiedlicher Größe aus Sandstein  Sieben Grabsteine sind aus schwarzem Marmor gefertigt und zeugen vom gewachsenen
Wohlstand der Bestatteten  Die Grabinschriften sind überwie- gend deutsch  Hebräisch und deutsch vor allem auf den Mar- morsteinen  Die Zweisprachig- keit ist ein Beleg dafür, dass die Hagener Juden sich auch in ihrer Grabkultur den christli-
nationalsozialistischen Herr- schaft mussten in den Jahren 1938 bis 1945 ihr Leben lassen,
„Unübersehbar – der Gedenkstein als Mahnmal gegen Judenhass“
HAGEN. Dummer-Jun- gen-Streich, Zerstö- rungswut oder Juden- hass? Das ist hier die
Frage! In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sind auf dem hiesigen jüdischen Friedhof einige Gräber geschändet worden: Grab- steine wurden umgestoßen, eine Schrifttafel beschädigt und eine be- sondere Grabumrandung demoliert. „Störung der Totenruhe“ - so der dies- bezügliche Tatvorwurf.
Der Staatsschutz in Cuxhaven ermittelte  Das abschließen-
de Ergebnis: Ein Täter konnte nicht ermittelt werden  Die Beschädigungen indes hat der Landesverband der jüdischen Gemeinden Niedersachsen besei-
tigen lassen 
Den jüdischen Fried-
hof im Waldstück „Döhren“ hat die jüdische Ge- meinde Hagen vor 1786 er- worben  Durch Zukauf einiger Parzellen ist er 1844 mit Geneh- migung der königlich-hanno- verschen Landdrostei in Stade (Provinzregierung) erweitert
weil sie Juden waren: Siegfried Goldmann aus Hagen, Frieda Goldmann, geb  Cohn, Mary Goldmann aus Hagen, Ludwig Leeser aus Bramstedt, Bertha Leeser, geb  Goldmann, Jacob Wolff aus Sandstedt und Tony Wolff, geb  Rosenfeld“ (vgl 
82 Grabsteine unter- schiedlicher Größe
chen Gepflogenheiten
angenähert hatten 
Die vorhandenen Friedens“ Grabsteine weisen ei-
nen Bestattungszeitraum von
82 Jahren aus: 1854 ist hier die 48-jährige Röschen Freuden-
berg (geb  Wolf, Uthlede) beige-
setzt worden, 1936 die 74-jähri-
ge Bertha Herzberg (Uthlede) 
In der Mitte der Begräbnisstätte
zieht ein Gedenkstein die Blicke
der Besucher und Spaziergän-
ger auf sich  Er ist 1947/48 auf Veranlassung von Sidnei Gold- mann errichtet worden  Dessen Eltern Rosalie und Moses Gold- mann waren langjährige Syna- gogendiener und wohnten bis
zu ihrer Umsiedlung 1941 und späteren Deportation in Hagen, Blumenstraße Nr  16, in unmit- telbarer Nähe der 1938 zerstör-
ten Synagoge  Die Aufschrift dieses Steins lautet: „Unter der
Friedhof ist ein „Haus des
„Warum?“
*) Paul Spiegel: „Was ist koscher? Jüdischer Glaube – jüdisches Le- ben“, S. 52; Ullstein Verlag, Mün- chen, 2003
STALEKE, Nr  145; S  32) 
Ein Friedhof ist für Juden von großer religiöser Bedeutung  Er ist für sie ein „Haus des Frie- dens“  Von ihm aus macht sich die Seele des Verstorbenen auf den Weg in eine andere Welt und seine sterbliche Hülle war- tet auf den Messias, um wieder aufzustehen  Deshalb muss der Verstorbene in Ruhe gelassen werden, und Veränderungen an der Grabstätte sind absolut tabu  s Hansdieter Kurth
UNTER DER STALEKE
FRÜHJAHR 2017 | 33
C Hansdieter Kurth


































































































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